illustrées par des milliers de photos...
Wozu Photos? Für die gediegene Inszenierung von Formen, Charakteren, Konstellationen oder für die Darbietung von Welt im szenischen Ausschnitt, mit dem Rand der Welt am Horizont?
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Plutôt le décor que le drame, plutôt l'ambiance que l'action, sans oublier que l'un appelle l'autre - photographier plutôt cet appel.
Eher die Kulisse als das Drama, eher die Stimmung als die Handlung, ohne zu vergessen, dass das eine nach dem anderen ruft - eher dieses Rufen photographieren.
Immer schon hat sich der Betrachter dem Geschauten entgegengeworfen, ist er im Bezug zu diesem gefangen. Mit dem Photo tritt er daraus einen Schritt zurück, holt er sich das Seinige. Eine Rückkehr ist’s zu sich selbst, denn da erst eröffnet sich der Abstand zwischen dem Betrachtenden und dem Geschauten, der die Szene freigibt.
Ins Schauen geworfen und dann herausgegriffen von einem Selbst, das dadurch erst zur Welt kommt, das ins Bild gesetzte Geschenk der Szene. Da hinein schiesst nun alles: bis hin zu Zeit und Ende.
Bin ich mit meinen Walking-Stöcken im Bremgartenwald zu Bern unterwegs, tauche ich ein in eine Schicht des Bewusstseins, in der dieses „Ich“ noch keinen Namen hat, in der noch niemand ist, nobody, ein Tier, das „seinem“ Instinkt folgt, ek-statisch der Umgebung anvertraut. In einem Schwung, der ins Unendliche geht.
Da kommt es vor, dass das Ich wieder auftaucht, zur Welt kommt und die Szene sich öffnet vor den Augen des Betrachters. Ich halte an, greife zur Kamera: Je stofflicher und leuchtender die Szene sich da zeigt, desto mehr lädt sie ein, sie abzubilden und im Geiste zu bewohnen. In ihrer illuminierten Dichte eröffnet sie weitere Szenen, mannigfaltige Abschattungen ihres Erscheinens. Begegnet da ein lächelndes Gesicht, pocht schon das Herz in der Erwartung eines anderen Selbst, durchpulst das imaginäre Glück bald fiebrig die träumende Seele. Ein Zauber hat die Liebe entfacht, der hungrige Blick will mehr sehen und noch mehr, der entflammte Leib wirft sich dem anderen Wesen entgegen, dessen Kommen ihm verheissen scheint.
Dann das Photo.
Im Rahmen, der sie aus dem Fluss der Zeit in die Dauer hebt, lebt da die Szene fort, sind ihre Formen und Gestalten weiter in ständiger Bewegung. Während draussen alles Lebendige von der Gegenwart in die Vergangenheit hinabgezogen wird, währt die photographierte Szene als in sich gespannter Innenraum, abgehoben von jeglichem Umfeld. Von diesem, das sich stets erneuert, wird sie freilich immer wieder affiziert, denn ihr Sinn ist nicht abschliessend gesichert.
Das Bild vollendet den Schritt zurück vom Geschauten. Es zieht diesem die Haut ab und pfropft sie auf einen technischen Träger auf, in einem Schnitt, der zur Narbe verdickt, die schmerzliche Erinnerung an die Wunde der Abtrennung bewahrt. Durch sie wird der festgehaltene Zeitstrom nicht einfach gestoppt, vielmehr fliesst er weiter, nun für immer im Bild gefangen. In der ein für allemal fixierten Szene hören die Lebewesen und Dinge nicht auf, um einander zu kreisen. Das im Bildausschnitt neu geordnete Gefüge seiner Elemente fängt den Blick ein. Ihm gibt das Punctum Halt und Orientierung. Abschattungen von Kontrast und Farbgebung verstärken und variieren die Wahrnehmung der unterschwellig schmerzhaften Grundströmung. Die Lebewesen und Dinge gebärden die Szene, bekämpfen einander oder suchen in einander überzugehen, in einer Handlung, die nie zu einem Ende kommt, für immer im Ansatz festgehalten und in ihrer Dynamik eingefroren, in Erwartung weiterer Blicke, die sich im Bild verfangen, um dessen Handlung wieder und wieder anzufangen.
Schmerz versteinerte die Schwelle.
(Georg Trakl, Ein Winterabend).
Finalisiert am 8. August 2017. Copyright by Dr. Peter Köppel, Bern.
Diese Photos von Häusern, Gebäuden, Strassenzügen, Fahrzeugen und Personen in ihrem Alltag, wozu? Morgens, mittags und abends aufgenommene Ansichten?
Bedenke die Verflüssigung deines Aufenthalts! Dessen Grundlage hat sich von den fest gefügten Steinen der Haus- und Stadtmauern hin zu den Gesetzen des Rechtsstaats verlagert, der dir den gehörigen Handlungsspielraum und den Schutz vor dem Anderen gewährt, so dieser dir zu nahe treten will. Da ist jede Erscheinungsform des Wohnens nur vorläufig, als die Kulisse eines Lebens auf halbem Wege zwischen Ansässigkeit und Nomadismus.
Das Photo, dieser technisch vermittelte Rückblick auf deinen unmittelbaren Bezug zum Geschauten. Dein Lebenswandel: ein dauerndes Unterwegs und Dazwischen. In beiden dieser Schmerz des Verlusts der Unmittelbarkeit des Hier und Jetzt.
Die Zeit treibt uns aus dem Augenblick, darin dem Zeichen verbündet, das uns immer aufs nächste Zeichen verweist. Dagegen halten wir das Bild, fixieren wir die Szene, eingerahmt. Gegen die Kräfte des Wandels jene des Beharrens.
Es gibt Zeiten, in denen die Spannung zwischen diesen Kräften steigt. Die Technik ist heute der stärkste Treiber des Wandels. Auch beim Photographieren. Einst diente das photographische Bild dazu, die Zeit anzuhalten. "Banne die Vergänglichkeit!" Heute jedoch treibst du mit dem Smartphone noch mehr mit in der Beschleunigung des Alltags durch die elektronische Vervielfältigung der Szenen. Ein neues Erleben der Zeit greift um sich. Die ist nicht mehr der Übergang von einer Vergangenheit in eine Zukunft, sondern ein auf der Stelle drehender Wirbel. Der Photographierende versinkt in der Welt wie das Bild in der Bilderflut.
Das bedächtige Photo indes hält die Szene fest und zeigt doch zugleich die Vorläufigkeit des Festgehaltenen: „Ich bin eine Momentaufnahme“, sagt es und lädt uns ein, einen Augenblick da zu verweilen. Da ergiesst sich der ganze zeitgetriebene Fluss der Dinge in die Struktur, die ihre schöne Fügung zur Schau stellt.
Indem das bedächtige Photo die Szene für die Wenigen auf eine beständige Unterlage aufträgt, gewährleistet es jederzeit die Rückkehr zu ihr. So wiederholen Photo und Szene die Offerte der Bleibe: „Immer werde ich auf Deine Rückkehr warten.“ Als Gegenstück und Ergänzung der Einladung zur Reise.
In diesem Bezirk des bedächtigen Photos breitet sich der Ort in die Ebene und recken sich die Gebäude gen Himmel - handle es sich um „mein“ Dorf, „meine“ Stadt oder den Wohnort Anderer. In letzterem Fall freilich erhöht sich die Reflexivität des Bildes, wechsle ich selbst vom Status des Individuums zu jenem eines Exemplars der Gattung.
Wir befinden uns hier im Geltungs- und Wirkungsbereich der Gesellschaft, wo das Individuum nur aus Nuancen besteht, die allerdings des gefährdeten Unterschieds wegen oft über alle Massen aufgebläht werden - um des Selbst willen, das sonst nicht wahrnehmbar wäre. Und der Vagabund, dieses selbstlose Wesen? Der macht doch wohl keine Photos, von nichts? Ausser heutzutage! Mit dem Smartphone, diesem Accessoire auch der Mittellosen. Da werden sie Selfies machen, die Vagabunden, ungläubig und überglücklich ihre eigene Grimasse sehen im kleinen Bildschirm, der dahinter die vorüberziehende Welt spiegelt. Diese smarten Vagabunden unserer Zeit, sind nicht wir selbst sie?
Bedenke aber: Vieles schuldet das Bild, nicht nur das bedächtige, der Erzählung, denn es braucht eine Vergangenheit und eine Zukunft, um sich als Szene einer Gegenwart zu etablieren - so flüchtig diese sein mag. Nun, es ist die Erzählung, die die Vergangenheit im Gedächtnis hält, und sie ist es, die unsere Wege in die Zukunft entwirft. Gewiss gehört zur Erzählung die Spur, die das Erlebte im Körper zurückgelassen hat, aber was wäre diese Spur, wenn sie nicht mit Worten nachgezogen würde? Eine vielleicht glosende, aber doch vage Linie.
Die starken Linien des Lebens zieht das Erzählen, also das Wort, und da hinein schreibt sich das Bild, da webt es seine eigene Geschichte, auf allen Ebenen der bürgerlichen Existenz, die aus dem Lot geraten würde, verwischten diese Linien sich. Betrachte das Bewusstsein irgend Jemandes unter der Lupe. Du wirst ein Wimmeln sehen von unterschiedlichsten Fragmenten und Versatzstücken. Daher braucht's die ordnende Kraft der Erzählung über die Zeit. Daraus erst entsteht der Sinn deines Aufenthalts, so entsteht der Sinn deines Wohnens. Ich wohne in Bern, und ich sage dir: das ist mittlerweile eine ganze, ausgewachsene Erzählung, mit vielen Stockwerken, Korridoren, Aufenthaltsräumen.
Und darin das Photo? Ist es nicht ein Kontrapunkt zur Erzählung, eine Momentaufnahme, der geschlossene Horizont einer Szene, abgehoben gegen die Fluchtlinien des Erzählmodus? Illustration gegen Erzählung? Letztere entfaltet beim Formulieren des Sinns die Syntax, der entlang das Bewusstsein seinen Lauf nimmt, während erstere dem Wohnen das Bett bereitet, indem sie die Szene ausbreitet, das Bett der Intimität - was frei von Angst heisst - vor den Blicken der Andern, also frei von Scham? Zwei Räume also: der eine erzählerisch, eher linear, der andere bildlich, eher kreisförmig, beide ineinander verwoben: Erzählung und Szene?
Ineinander verwoben, sage ich, denn in der Tat wirst du nie das eine (die Erzählung) ohne das andere (die Szene) haben. Duras zum Beispiel neigt dazu, die Erzählung in der Szene verschwinden zu lassen, eine Tendenz, die auch Blanchot nicht fremd ist. Du findest da eine Folge von Szenen mit minimaler Erzählung. Gleiche Tendenz bei Handke. Viel weniger bei Früheren, im 19. Jahrhundert oder vorher. Und Proust! Welche Vielfalt der Bezüge zwischen Erzählung und Szene! Aber kehren wir zurück zum Photo.
Zum einen ist das Photo eine Inszenierung erzählerischer Elemente, zum anderen wird sein Photograph durchpulst von den Lebensströmen seines Biotops! Er wird die Strömungen zu lenken suchen, Vorkehren treffen, sie seinen Wünschen und Gegebenheiten anzupassen. Nicht, sie zu beherrschen, das würde sein Leben austrocknen. Schlimm genug, wenn im zunehmenden Alter ihre belebende Wirkung abnimmt: da heisst’s die selbe Freude mehrfach geniessen, die schönen Szenen mit vielfachem Echo umstellen. Geniess im Geiste zweimal, dreimal, viermal, was dir real nicht mehr tausendfach zu Gebote steht.
Solche Vermehrung des Schönen leisten die Künste, darunter die Photographie, dieses visuelle Echo auf die Formen, die die Szenen gestalten, in denen sie sich befinden, „formende Formen“ also, darin verschieden von den „geformten Formen“, denen diese Kraft fehlt. Freilich: diese dynamischen Formen geraten miteinander in Streit beim Gestalten ihrer Szene, doch verwandeln sie dabei das Bild in ein lebendiges Gelände nie zu Ende gebrachter Spannungen und bringen so jene zusätzliche Präsenz, die sein Dasein auf der Höhe der Zeit hält. Denn es genügt ihm nicht mehr, nur einem lockenden Pfad zu folgen, den saugenden Blick auf eine heisse Spur geheftet.
In diesem Spiegelsaal des Echos grüssen und antworten sich weit auseinander liegende Augenblicke und bilden neue Welten deines Erlebens in ausgreifenden Fluchtlinien. Ein Universum tut sich auf, viel reicher als bloss linear durchlaufene Szenen. Starker Sinn giesst sich nun ins Gekröse deines ironisch zersetzten Erlebens, wie guter Wein in dünnwandiges, fast poröses Glas.
Finalisiert am 11. August 2017. Copyright by Dr. Peter Köppel, Bern.
Photoreflexion:
Die folgenden Billets „Die Photographie und das Erscheinende“ bzw. „La photographie et le phénomène“ Nummern I bis V sind in meinem Blog von März bis Mai 2017 zunächst französisch, dann deutsch erschienen. Sie sind, wie die Billets "la photo et la résidence" I-V, die Vorarbeiten zu den oben aufgeführten Texten Photo I und Photo II.
la photo et le phénomène, I. Deutsche Fassung siehe hier.
la photo et le phénomène, II. Deutsche Fassung siehe hier.
la photo et le phénomène, III. Deutsche Fassung siehe hier.
la photo et le phénomène, IV. Deutsche Fassung siehe hier.
la photo et le phénomène, V. Deutsche Fassung siehe hier.
"La photo et la résidence I-V" entstanden zwischen Juni und August 2017.
la photo et la résidence, I. Deutsche Fassung siehe hier.
la photo et la résidence, II. Deutsche Fassung siehe hier.
la photo et la résidence, III. Deutsche Fassung siehe hier.
la photo et la résidence, IV. Deutsche Fassung siehe hier.
la photo et la résidence, V. Deutsche Fassung siehe hier.