Mit dem Verschwinden gibt es keinen Umgang. Es gibt davor nur die Flucht. Und sei es in Phantasmagorien des Verschwindens, bis hin zu demjenigen der ganzen Menschheit. Zum ganz Anderen des Bewusstseins gibt es für kein Bewusstsein Zugang. Das „eigene“ Verschwinden ist daher vom Verschwinden aller nicht zu unterscheiden, es sei denn im Phantasma. Aber eben: darin, wo denn sonst, vollzieht und versteht sich unser Leben, unser aller, in allen möglichen Abschattungen. Am Horizont nun der Kollaps der Zivilisation, gefolgt vom Verschwinden der Menschheit.
Ich stelle das nicht in Abrede, nein, ich rechne damit. Ein Nachbar, ein bekannter Grüner der ersten Stunde, liess mich wissen, dass es mich trotz meines vorgerückten Alters noch zu Lebzeiten treffen könnte. Seine Argumentation war glaubhaft. Die Frage bleibt: Wie gehe ich damit um?
Nun mal abgesehen von den gut gemeinten Aufforderungen, seine eigene Lebensführung auf die Vermeidung des Schlimmsten hin zu gestalten. Abgesehen auch von der Frage, ob so etwas überhaupt noch Sinn macht. Es könnte sich ja auch da wiederum um eine Flucht vor der Einsicht handeln, dass das Verschwinden aller im Kommen, und dieses Kommen ein unaufhaltsames ist. Andererseits könnte dieser Verdacht den Argwohn wecken, man suche Gründe, um nicht tätig werden zu sollen. Also sehen wir von diesem Punkt mal ab.
Da stelle ich fest, dass unter dem Gesichtspunkt, dass diese Zivilisation meine Existenz nicht einholt, diese vielmehr etwas ist, das in ein Ausserhalb dieser Zivilisation hinausragt, es keinen Unterschied macht, ob nur ich verschwinde, oder ob alle verschwinden. Denn alle, „die Menschheit“, bedeutet mir nur etwas innerhalb einer Zivilisation. Und dazu, als zu den zivilisatorischen Produkten der Phantasmagorie, sind wohl auch die Religionen zu zählen.
Insofern es um die Existenz als solche geht, und diese zivilisatorisch nicht einholbar ist, ist jeglicher Umgang mit dem Verschwinden phantastisch.
Gibt es in dieser Bewandtnis ein Weiterkommen über die blosse Kritik hinaus? Heidegger hat das unternommen, aber was ist das „Sein zum Tode“ mehr als ein Phantasma? Was soll diese Überhöhung zur Jemeinigkeit und Eigentlichkeit dessen, der als Einzelner aus der Zivilisation in deren Aussen vorzulaufen sich anschickt? Ist nicht gerade auch diese Vereinzelung ein phantastisches Produkt der Zivilisation, das mit deren Verlassen sich ausradiert?
Es gibt kein Weiterkommen. Nur ein Warten. Auf das grosse Vergessen.
L’attente, l’oubli.
Ein Titel von Maurice Blanchot.