Das Foto bringt das Gesehene erst zum Vorschein, herausgeholt aus dem Fluss des Sehens, diesem halb geträumten Film, vor die Schreibe, die daran ein weiteres Sehen entwickelt. Wenn sie kann, wenn das Foto dazu gut ist, also zu denken gibt. Schreibe ist Denke.
Am manchen Fotos, auch von deinen, gleitest du ab. Heisst: Gegen deine Intention lässt du dich oft zu Aufnahmen herbei, an denen du danach nicht hängen bleibst. Weil du das erst danach siehst. Du hast Erfahrung, du hast Ahnung, aber das Foto bewahrheitet sich erst, wenn du darauf zurückkommst - mal beim ersten schon, mal beim zweiten, dritten, vierten Zurückkommen erst. Und dann wieder nicht. Es braucht einen längeren Umgang mit den Fotos, um ihren Wert zu erkennen.
Ihren Wert bemisst du an der Lebensdichte, die sie dir zuhalten, deines Lebens, anderer Leben, indem sie deine direkte Wahrnehmung, also das, was du für dein Sehen hältst, überbieten: enthalten und überborden. Was in der Malerei der Künstler macht, der mehr sieht als du, macht hier der Apparat. Je stärker er ist in der Aufnahme, desto tiefer dringt er ins Stoffliche des Gesehenen ein, so tief, dass du es erst beim zweiten, dritten, vierten Hinsehen erkennst, unter Vergrösserung und nochmaliger Vergrösserung, von der du zurückkehrst zum Gesamtbild, das dir nun verdichtet vor Augen tritt. Als hätte die Szene im Bild die Materie und die Zeit in sich aufgesogen - um dann beide wieder aus sich heraus zu entlassen bis zum Verschwinden. Dann kehrt das Leben wieder in dich selbst zurück, und du träumst deinen Film weiter, berauscht von der andrängenden Gegenwart der Verhältnisse, der Menschen und Dinge, eingelassen wieder in die gewohnte Enge deiner Allerwelts-Subjektivität.