Deine Bleibe, durchpulst von den Lebensströmen deines Biotops! Und der kultivierte Mensch, demgegenüber? Er wird die Strömungen zu lenken suchen, Vorkehren treffen, sie seinen Wünschen und Gegebenheiten anzupassen. Nicht, sie zu beherrschen, das würde sein Leben austrocknen. Schlimm genug, wenn im zunehmenden Alter ihre belebende Wirkung abnimmt: da heisst’s die selbe Freude mehrfach geniessen, die schönen Szenen mit vielfachem Echo umstellen. Geniess im Geiste zweimal, dreimal, viermal, was dir real nicht mehr tausendfach zu Gebote steht.
Solche Vermehrung des Schönen leisten die Künste, darunter die Photographie, dieses visuelle Echo auf die Formen, die die Szenen gestalten, in denen sie sich befinden, „formende Formen“ also, darin verschieden von den „geformten Formen“, denen diese Kraft fehlt. Freilich: diese dynamischen Formen geraten miteinander in Streit beim Gestalten ihrer Szene, doch verwandeln sie dabei das Bild in ein lebendiges Gelände nie zu Ende gebrachter Spannungen und bringen so dem alternden Individuum jene zusätzliche Präsenz, die sein Dasein auf der Höhe der Zeit hält. Denn es genügt ihm nicht mehr, nur dem einen lockenden Pfad zu folgen, den saugenden Blick an die heisse Spur der begehrten Anderen geheftet.
In diesem Spiegelsaal des Echos grüssen und antworten sich weit auseinander liegende Augenblicke und bilden neue Welten deines Erlebens in ausufernden Dimensionen des Raums und der Zeit. Ein Universum tut sich auf, viel reicher als die bloss linear durchlaufenen Szenen deines vormaligen Alltags. Starker Sinn giesst sich nun ins Gekröse deines ironisch zersetzten Erlebens, wie edler Wein in ein dünnwandiges, zerbrechliches Glas. Doch deine Kunst, so arm und klein sie sein mag, sie macht dich zäh.