Wir selbst verleihen unserem Dasein Sinn - wenn wir denn dazu fähig sind. Wer es nicht kann, verlässt sich auf Autoritäten. Die sind in unseren Breitengraden in der Nachkriegszeit halbwegs abgeschafft worden, zumal in ihrer personalisierten Gestalt. Unverrückbar scheinende Normen sind verschwunden, andere sind in Geltung gekommen, im Verhalten etwa der Geschlechter zueinander - was den einen die Entfaltung erleichterte und manche weniger Bedarfte in die Orientierungslosigkeit stürzte.
Die Gegenwart ist in unseren europäischen Breitengraden durch wachsende Sinn-Defizite in breiten Bevölkerungsschichten geprägt. Deren technologieinduzierter Sinn-Konsum nimmt im selben Masse zu, wie die sinnhafte Produktivität abnimmt. Letztere besteht für die Vielen in Tätigkeiten, die als gesellschaftlich nützlich anerkannt sind. In der technisierten und digitalisierten Gesellschaft sind solche Nützlichkeiten kaum mehr augenfällig. Wo aber der Konsum steigt und die Produktivität sinkt, sind wir bald einmal beim Status des Parasiten. Und da wir vom Sinn reden, müssen wir hier ein besonderes Massenphänomen ins Auge fassen: dasjenige des Absturzes in den geliehenen, an sich substanzlosen Sinn.
Substanzlos wird Sinn dann, wenn dieser sich als Konserve anbietet, d.h. keine Arbeit an einem lebendigen, gegenwärtigen, widerständigen Andern mehr beinhaltet. Solche Arbeit verrichtet etwa der Forschende, verrichtete früher der Handwerker, verrichtet der Arzt, und so weiter. Diese lebendige, sinnschöpfende Kommunikation fehlt der in die digital verflüssigten Bürokratien der Postmoderne eingefassten Mehrheit der Berufstätigen.
Es gibt aber keinen anderen lebendigen Sinn als jenen aus sinnschöpfender Kommunikation. Daher "tötelt" es in unseren Mehrheiten. Das ist eine sehr schlechte Stimmungslage, die schlechtest denkbare überhaupt. Aus ihr heraus entstehen gerne Kriege, als letztes Anrennen gegen etwas Anderes in Ermangelung einer lebendigen Kommunikation.
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