In Zeiten zerfallender Kontexte.

 Globalisierung, Digitalisierung, Migration: das sind die drei in sich verschränkten Vektoren der Auflösung lokaler Lebenskontexte. Zur Flut der Informationen und dessen, was sich dafür ausgibt, kommt die zunehmende Schwierigkeit, sie einzuordnen. Mitunter wächst die Nachfrage nach Reduktion von Komplexität.

Rechtsaussen-Parteien wie die SVP in der Schweiz werden für viele nicht, wie oft behauptet wird, in erster Linie attraktiv durch das Postulat von Werten, sondern durch einfachste, eingängige Lebenskontextangebote, die Komplexität massiv zu reduzieren versprechen. Diese Angebote geben dem Alltag einen Rahmen, der die meisten Informationen lesbar macht und es zudem erlaubt, störende Fakten so einzuordnen, dass die Störung damit auch gleich behoben wird. Es ist das Verhaltensmuster der von aussen, durch die gemeinsame Wagenburg, gesicherten Erstarrung.

Flexiblere Auffassungen des Lebenskontexts hingegen können mit fremden Kontexten kommunizieren, sie an sich herankommen lassen, an ihnen wachsen. Das setzt eine Bewirtschaftung des eigenen Lebenskontexts voraus, die dessen Kernidentität von innen her sichert, in permanenter argumentativer Arbeit an sich selbst. Dafür entfallen beengende Zusammengehörigkeitsrituale, in denen die ideologische Wagenburg beschworen wird. Solche innere Freiheit ist wichtig, denn in einer Demokratie sind es die Bürgerin und der Bürger dem Gemeinwesen schuldig, Individuen zu sein und nicht Herdentiere. Eine nicht ganz leichte Aufgabe, wenn rundherum die tradierten Ordnungen durcheinander geraten. In der Tat ist die Versuchung gross, den krassen Vereinfachern und Ewig-Gestrigen zu folgen, die als letzte noch patente Lösungen im Angebot zu haben scheinen.

Dass der Widerstand der erwachten Individuen gegen die Wagenburg der Ewig-Gestrigen zu einer schlagkräftigen Aktion führen kann, konnte man am letzten Februarsonntag des Jahres 2016 in der Schweiz besichtigen. Dieser Widerstand ist eine Realität, die wohl nicht mehr aus der Welt zu schaffen ist. 

 

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